What if we drown Read online




  Inhalt

  Titel

  Zu diesem Buch

  Liebe Leser*innen

  Widmung

  Playlist

  1. Kapitel

  2. Kapitel

  3. Kapitel

  – Seelenverwandt –

  4. Kapitel

  5. Kapitel

  6. Kapitel

  – Der Kick –

  7. Kapitel

  8. Kapitel

  9. Kapitel

  10. Kapitel

  11. Kapitel

  – Eintausend und immer –

  12. Kapitel

  13. Kapitel

  14. Kapitel

  – Die Höhepunkte und der Fall –

  15. Kapitel

  16. Kapitel

  17. Kapitel

  – Verlust –

  18. Kapitel

  19. Kapitel

  20. Kapitel

  – Nichts –

  21. Kapitel

  22. Kapitel

  23. Kapitel

  24. Kapitel

  25. Kapitel

  26. Kapitel

  27. Kapitel

  – Das Nachher und Nachher und Nachher –

  28. Kapitel

  29. Kapitel

  30. Kapitel

  31. Kapitel

  32. Kapitel

  33. Kapitel

  34. Kapitel

  35. Kapitel

  36. Kapitel

  37. Kapitel

  – Hey, Austin –

  38. Kapitel

  39. Kapitel

  40. Kapitel

  Danke

  Triggerwarnung

  Die Autorin

  Die Romane von Sarah Sprinz bei LYX

  Impressum

  Sarah Sprinz

  What if we Drown

  Roman

  Zu diesem Buch

  Dreieinhalb Jahre nach dem Tod ihres Bruders nehmen Laurie die Erinnerungen daran noch immer den Atem. Nie wieder ist sie seitdem ganz bei sich angekommen, nie wieder stand sie auf einem Kiteboard. Denn ihr gemeinsames Hobby, das einst Fühlen und Freiheit bedeutete, kommt ihr heute leichtsinnig vor. Dafür wuchs Lauries Traum, Ärztin zu werden, Menschen zu helfen. So wie auch ihr Bruder es wollte, bevor ihm die Chance dazu genommen wurde. Als Laurie die Zusage für ein Medizinstudium in Vancouver erhält, lässt sie alles hinter sich und zieht von Toronto an die Westküste Kanadas. Doch sie merkt schnell, dass sich die Vergangenheit auch am anderen Ende des Landes nicht so leicht abschütteln lässt. Noch vor ihrer ersten Vorlesung lernt sie Sam kennen. Sam, der sie ansieht und mehr sieht als die anderen. Sam, der ebenfalls Medizin studiert und ihr Tutor sein wird. Sam, der sie wieder dazu bringt, zu kiten. Und Sam, der tiefer in die Ereignisse der Nacht verstrickt ist, die ihren Bruder das Leben kostete, als Laurie ahnt.

  Liebe Leser*innen,

  What if we Drown enthält Elemente, die triggern können.

  Deshalb findet ihr auf Seite 391 eine Triggerwarnung.

  Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

  Eure Sarah und euer LYX Verlag

  Für Steffen.

  We’ll survive,

  you and I.

  F. Scott Fitzgerald

  PLAYLIST

  lovers – anna of the north

  overgrown – machineheart

  technicolour beat – oh wonder

  ocean eyes – billie eilish

  finally // beautiful stranger – halsey

  line of sight (reprise) – odesza

  new york – andrew belle

  summer ’09 – vancouver sleep clinic

  i love you – billie eilish

  more – halsey

  we are – kid million

  out of the woods – taylor swift

  big bad city – evalyn

  it’s only (vip remix) – odesza

  sirens – fleurie

  drowning – banks

  the enemy – andrew belle

  white blood – oh wonder

  the breach – dustin tebbutt

  glow (acoustic) – robinson

  you & i – rhodes

  higher ground (reprise) – odesza

  1. KAPITEL

  »Laurie, es war die richtige Entscheidung. Vertrau mir, ich weiß es einfach.« Ambers Stimme drang blechern verzerrt durchs Handy an mein Ohr.

  »Aber warum fühlt es sich dann kein bisschen richtig an?« Ich konnte mir noch so viel Mühe geben, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken, meine beste Freundin würde es auch über die drei Zeitzonen hinweg heraushören.

  »Laurie, du bist gerade ans andere Ende des Landes gezogen. Es ist okay, dass du dich jetzt so fühlst.«

  Ich zwang mich zu schlucken, doch der Kloß in meiner Kehle wollte nicht verschwinden.

  »Und dein Koffer taucht auch wieder auf, da bin ich mir sicher. Weißt du, wie oft sie mein Gepäck schon verbummelt haben, wenn ich von Toronto zurück nach Vancouver geflogen bin? Und wenn sie ihn echt verloren haben, ersetzt dir die Airline den Inhalt.«

  Mit jedem ihrer Worte stieg der Druck hinter meinen Pupillen.

  Nicht heulen, Laurie. Du. Wirst. Nicht. Heulen.

  Du bist stärker als diese dumme Panik.

  »Aber es ist der mit seinen Sachen.«

  Amber verstummte. Und dann verstand sie.

  Es waren nicht nur Sachen. Es waren die wertvollsten Erinnerungen, die ich besaß, und vielleicht waren sie weg. Für immer. Genau wie er.

  »Okay.« Amber räusperte sich. »Gut. Wo bist du gerade? Immer noch in diesem Taxi?«

  Ich nickte, auch wenn mir klar war, dass sie es nicht sehen konnte.

  »Wie weit ist es noch bis zu deiner Unterkunft?«

  »Ich hab keinen blassen Schimmer! Komm ich aus Vancouver oder du?« Ich konnte nicht ruhig bleiben. Auch wenn ich wusste, dass meine beste Freundin am allerwenigsten etwas dafür konnte, dass mein Umzug schon jetzt in eine Katastrophe mündete. Der Stress und Schlafmangel der letzten Tage ließen meine Nerven zum Zerreißen dünn werden. Und Amber wusste das. Sie wusste es besser als ich selbst.

  »Gut. Okay.« Ihre Stimme klang unerwartet sanft. »Setz dich richtig hin, aufrecht. Lehn den Kopf an. So. Und jetzt mach die Augen zu.« Sie schwieg einen Moment. »Du sollst die Augen zumachen!«

  »Amber«, flehte ich, doch sie sprach ungerührt weiter. Was zur Hölle sollte das werden?

  »Und jetzt hörst du mir gut zu. Erinnerst du dich an die Nacht vor ein paar Monaten, als du heulend in der Wohnheimtoilette saßt und meintest, du erträgst keinen weiteren Tag in Toronto?«

  Der hohle Schmerz in meiner Brust machte mir das Atmen schwer. Ich presste die Lider aufeinander, doch die Tränen rannen trotzdem zwischen ihnen hervor. Natürlich erinnerte ich mich.

  »Was soll der Scheiß, Am?«, krächzte ich.

  »Was fühlst du, wenn du daran denkst?«

  »Den Drang, das Gespräch jetzt sofort zu beenden!«

  »Es ist Panik und Angst und Schmerz, richtig? Ich will, dass du dich daran erinnerst. Ich will, dass du wieder in der Situation bist und fühlst, wie absolut furchtbar es war.«

  »Lass es! Das macht es nicht besser, hör einfach auf damit, ich …«

  »Laurie, du bist jetzt frei.« Amber betonte jede einzelne Silbe, und sie klang so entschieden, dass ich verstummte. »Du bist jetzt in fucking Vancouver. Du hast es durchgezogen. Du hast es geschafft, okay? Ich weiß, du bist allein und übernächtigt und hast ein bisschen Heimweh und Angst vor dem, was kommt. Das ist alles erlaubt. Das ist normal. Aber wehe, du ziehst jetzt wegen dieser paar lächerlichen Kleinigkeiten ernsthaft in Betracht, alles hinzuschmeißen. Obwohl du weißt, dass du schon viel schlimmere Dinge ertragen hast.«

  »Ich ziehe es nicht in Betracht«, flüsterte ich. Und das war die Wahrheit. Ich zwang mich, tief durchzuatmen. Als ich blinzelte, huschte der neug
ierige Blick des Taxifahrers vom Rückspiegel zurück auf die Straße. Sollte er doch denken, was er wollte. Dass ich völlig hysterisch und erbärmlich war. Schließlich lag er damit gar nicht so falsch.

  »Ich verstehe, dass du Angst hast. Aber bitte glaub mir, es wird nicht so sein wie bei ihm. Das verspreche ich dir.«

  »Woher willst du das wissen?« Beinahe grob wischte ich mir die Tränen von den Wangen. »Er war auch an diesem Punkt. Neues Leben, neue Uni. Endlich die Zulassung für Medizin. Und dann …« Meine Stimme versagte, bevor ich es über die Lippen brachte.

  »Laurie, es war ein verdammter Unfall. Eine beschissene Verkettung unglücklicher Umstände.«

  »Ja, aber es wäre vielleicht nie dazu gekommen, wenn ich einfach …«

  »Stopp. Hör auf. Keine toxischen Schuldzuweisungen mehr. Das höre ich mir nicht länger an.« Ambers Worte trafen mich wie schallende Ohrfeigen. Aber sie waren nötig, damit ich wieder zur Besinnung kam. Als sie fortfuhr, war ihre Stimme weicher. »Es ist nicht deine Schuld. Du musst endlich anfangen, das zu kapieren. Es tut mir immer noch so unendlich leid. Jeden Tag, Laurie. Aber ich werde nicht zulassen, dass du deshalb dein ganzes Leben wegwirfst. Jetzt wird alles besser, wirklich. Verstehst du das?«

  Stumm schüttelte ich den Kopf, während die Umgebung erneut vor meinen Augen verschwamm.

  »Ob du das verstehst?«, rief sie durch das Telefon.

  »Ja.« Ich schluckte. »Ich verstehe es.«

  »Gut, sehr gut. Mehr verlange ich nicht von dir. Aber bitte verlier nicht das große Ganze aus dem Blick.«

  Ich zwang mich, tief Luft zu holen. Ich wusste, dass Amber recht hatte. Aber um wie viel einfacher wäre es gewesen, mich jetzt der dummen Panik hinzugeben, anstatt gegen sie anzukämpfen?

  »Also.« Niemand schaffte es, so bestimmt und zugleich so sanft zu klingen wie sie. Die Tausenden Kilometer, die von nun an zwischen uns lagen, wurden mir in dem Moment schmerzhaft bewusst. »Was ist das große Ganze?«

  »Der Traum«, flüsterte ich, und mein Herz zog sich zusammen.

  »Welcher Traum?«

  »Ärztin werden«, sagte ich noch leiser.

  »Und warum?«

  »Um Menschenleben zu retten«, hauchte ich und presste die Lider aufeinander. Egal, wie oft ich es sagte, es wurde nicht erträglicher. Menschenleben retten. Er hatte das auch gewollt.

  »Laurie, du machst diesen Scheiß nicht für ihn« sagte Amber. »Okay? Du machst das für dich. Nur für dich. Das ist wichtig, verstehst du? «

  Ich nickte und stieß ein heiseres »Ja« hervor. Sie hatte ja recht, zumindest theoretisch. Praktisch gesehen war dieser Neubeginn das Einzige, was ich noch für ihn tun konnte. In seine Fußstapfen treten. Meinen Traum verwirklichen, der einmal seiner gewesen war.

  »Und wenn alles zu viel wird, dann setze ich mich in den nächsten Flieger und bin schneller bei dir, als du Amber Gills ist die beste Freundin des ganzen Universums sagen kannst.«

  »Daran werde ich dich erinnern, wenn du vor lauter Abgaben deinen eigenen Namen vergisst.«

  Ambers Lachen war voll und klar. »Ich bitte dich. Eher vergesse ich die ganzen Abgaben als meinen Namen.«

  Unwillkürlich musste ich schmunzeln.

  »Nein, ich mein’s ernst, Laurie. Mom und Dad bedrängen mich eh schon dauernd, wie schön es doch wäre, wenn ich mich mal wieder in Vancouver blicken ließe. Aber dann hätte ich wenigstens einen Grund. Für dich würde ich sogar ein paar Tage auf den hervorragenden Sex mit Peter Cooper verzichten. Und glaub mir, der ist wirklich verdammt hervorragend. Beim letzten Mal hat er mich mit in sein Atelier genommen, diese artsy Künstlertypen sind der Jackpot und Staffeleien tatsächlich doch ein bisschen instabil, wenn man ungebremst dagegen …«

  Ich verdrehte die Augen.

  »Hat da gerade jemand gegrinst? Ganz kurz wenigstens? Komm schon, gib’s zu, Darling.«

  »Du spinnst doch.«

  »Ich vermisse dich auch. Ehrlich, Laurie. Aber zum Glück gibt es so wundervolle Erfindungen wie WhatsApp und Skype. Ich mein’s wirklich ernst. Wenn was ist, bin ich bei dir. Du weißt ja, dass mich das Studium nicht weniger interessieren könnte. «

  »Miss?«

  Ich fuhr zusammen. Dank Ambers ausschweifenden Erzählungen war mir völlig entgangen, dass das Taxi in einer ruhigen Seitenstraße angehalten hatte.

  »Wir sind da.«

  »Amber, wir reden später noch mal, okay? Ich bin jetzt bei meiner Unterkunft.«

  »Wundervoll, mein Herz«, flötete sie. »Erzähl mir gleich, ob dein Host wirklich so scharf ist wie auf seinem Profilbild.« Sie kicherte. »See you!«

  Aufgelegt.

  Ich atmete einmal tief durch, während ich die Umgebung wieder wahrzunehmen begann. Gepflegte Vorgärten, üppige Kastanien, die die gepflasterte Carnarvon Street säumten.

  Die Tränen verklebten noch meine Wimpern, aber Amber hatte recht. Ich war nun hier, und nichts hatte ich so sehr gewollt wie diesen Neuanfang. Reset. All das verfluchte Unglück hinter mir lassen. Im Grunde war es simpel. Am absoluten Tiefpunkt angelangt, gab es nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder man verharrte dort oder es würde wieder aufwärtsgehen. Und Letzteres war es, wofür ich stumm betete.

  2. KAPITEL

  Wen interessierte es, ob mein Gastgeber scharf war oder nicht? Ich hatte auf seinem Foto den Hoodie mit dem Logo der University of British Columbia gesehen und das Zimmer sofort bei Airbnb angefragt. Für die erste Zeit bei einem künftigen Kommilitonen zu wohnen schien mir nicht die dümmste Idee zu sein. Insbesondere nicht angesichts der ernüchternden Lage auf dem Wohnungsmarkt, der kaum etwas Bezahlbares hergab. Vielleicht hatte der Kerl ja einen Tipp für mich, wo ich nach den ersten zehn Tagen in seiner WG wohnen könnte. Aus dem Wohnheimplatz auf dem Campus ganz im Westen der Stadt war leider nichts geworden. Blieben also nur noch eine private WG oder ein Einzimmerapartment. Wenn ich ehrlich war, hatte ich nach den drei Jahren im Studentenwohnheim der University of Toronto während meines Bachelors in Sozialwissenschaften gegen ein wenig mehr Privatsphäre nichts einzuwenden. Andererseits würde es mir in dieser neuen Situation vermutlich ganz guttun, Menschen um mich zu haben.

  Das Taxi brauste davon. Vor mir ragte die hellgraue Holzfassade eines typisch kanadischen Einfamilienhauses in den violett verfärbten Abendhimmel. Dunkelgrüne Hecken schützten den schmalen Vorgarten vor neugierigen Blicken. Das schmiedeeiserne Tor war nur angelehnt, sodass ich mein Gepäck mit vollem Körpereinsatz bis vor die breite Eingangstreppe aus dunklem Holz hievte. Wenn ich mich nicht irrte, lag mein Zimmer auch noch im Obergeschoss … Das würde spaßig werden.

  Ich unterdrückte ein Seufzen und stieg die wenigen Stufen hinauf. Die anthrazitfarbenen Fensterrahmen passten zum dunkel gedeckten Dach, das sich über mehrere Giebel und verspielte Vorsprünge erhob. Efeuranken schlängelten sich an den Holzpfeilern der kleinen Veranda empor. Vor der Haustür entdeckte ich ein Paar dreckige Wanderschuhe und kleinere, knöchelhohe dunkelblaue Gummistiefel.

  Ich musste lächeln, während ich läutete. MacKenzie/Sorichetti stand auf dem kleinen Schild neben der Türklingel. Hinter den beiden Namen schien ein weiterer gestanden zu haben, der mit dicken schwarzen Strichen überkritzelt worden war.

  Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde ein Flügel der Tür vor mir aufgerissen. Doch statt in ein fremdes Gesicht blickte ich auf den breiten Rücken eines Mannes, der sich zu Boden bückte.

  »Oh nein, Kitsilano, hiergeblieben!« Das schwarz-rot karierte Flanellhemd spannte sich leicht über seinen Schultern, als er nach dem dunkelgrauen Etwas griff, das da zwischen seinen Beinen gen Freiheit drängte. »So siehst du aus … Du kannst doch nicht schon wieder abhauen.«

  Der Unbekannte richtete sich auf. Dunkle Locken fielen ihm in die Stirn, und seine Mundwinkel hoben sich, als er mich nun ansah, während er ein Kätzchen gegen seine Brust gedrückt hielt.

  »Ah, du musst Laurence sein«, vermutete er, legte sich die Katze über die Schulter und streckte mir die frei gewordene Hand entgegen. »Entschuldige, wir haben gerade ein ausführliches Zecken-entfern-Date. Nicht wahr, Kits? «

  »Oh, verstehe.« Ich schüttel
te seine Hand, woraufhin er seinen Griff von der Katze löste. Kurz balancierte sie auf seiner Schulter, ehe sie in einem eleganten Bogen und völlig lautlos hinter ihm auf den Boden sprang. Nur um keine zwei Sekunden später an unseren Beinen vorbei in den Vorgarten zu verschwinden.

  »Na ja, dann halt morgen«, meinte er leichthin, ehe er mich anlächelte. »Komm rein. Hattest du eine gute Reise?« Mein Gastgeber trat einen Schritt zur Seite und warf einen kritischen Blick auf meine Koffer am Fuß der Treppe. »Willst du hier dauerhaft einziehen, oder ist das da tatsächlich dein Gepäck für einen zehntägigen Aufenthalt?« Er lachte dabei, kleine Fältchen gruben sich rund um seine funkelnden Augen und nahmen seinen Worten die Schärfe. Unwillkürlich stimmte ich in sein Lachen ein.

  »Tatsächlich plane ich, etwas länger zu bleiben. Ich komme aus Toronto und ziehe gerade hierher.«

  »Ach so. Das erklärt’s!«

  »Ignorier ihn einfach.« Eine zarte Stimme ertönte hinter dem jungen Mann. Sie gehörte zu einem Mädchen in meinem Alter, das nun neben ihn trat und mich anlächelte. Ihre blauen Augen leuchteten und bildeten einen erstaunlichen Kontrast zu ihren dunklen Haaren, die ihr fein geschnittenes Gesicht als kinnlanger Bob rahmten. Auch sie reichte mir die Hand. Entgegen meiner Erwartung war ihr Händedruck bemerkenswert kräftig. »Ich bin Hope, die zweite Mitbewohnerin. Schön, dass du da bist.«

  »Laurie. Freut mich«, erwiderte ich und spürte, wie die Anspannung der letzten Stunden langsam von mir abfiel.

  Hope wandte sich an ihren Mitbewohner und stieß ihn leicht an. »Wie wär’s, wenn du dich vielleicht auch mal vorstellst? «

  Er lachte. »Oh, ähm, ja, stimmt. Ich bin Emmett.«

  »So, und jetzt komm rein.« Hope griff nach meiner Hand, und ich sah zu meinen Sachen.

  »Ich hole noch eben mein Gepäck.«

  »Warte, wir helfen dir.« Emmett trat bereits an mir vorbei.

  »Oh, das ist wirklich nicht …«

  »Doch, doch. Außerdem geht es zu dritt schneller.« Hope schenkte mir ein Lächeln, dann folgte sie Emmett und mir in ihren Birkenstocks und den grünen Socken die Treppe hinab. In ihre ausgewaschenen Mom-Jeans hatte sie ein weißes T-Shirt gesteckt, über dem sie ein dunkles Trägershirt trug. Emmett ging barfuß die Stufen hinunter. Seine schwarzen Jeans waren mit Katzenhaaren übersät und klebten geradezu an seinen langen Beinen. Nun schob er die Ärmel seines karierten Hemds bis zu den Ellbogen hoch, als bereitete er sich darauf vor, einen ganzen Waldabschnitt zu fällen. In Anbetracht meiner Berge an Gepäck wäre das vermutlich nur unbedeutend anstrengender gewesen. Emmett rückte seine runde Nerdbrille zurecht und griff nach einem der Koffer. Er stöhnte übertrieben laut auf, als er ihn anhob.